Narizin: Nidwalder Kaffi und Röschti
Abt.: Die schönsten Straßen zwischen Scheibbs Schützen
und Nebraska Oberrickenbach
Nidwalder Kaffi und Röschti
Eigentlich ist's noch gar nicht so spät, dennoch ist's finster draußen.
Und es ist noch nicht lange her, daß wir genau um diese Uhrzeit erst
mit dem Zündungsservice in der Laterndl-Garage angefangen haben. Heutzutage
kannst du derartige Ansinnen vergessen. Wir erkennen, daß es schön
langsam herbstlt. Alleine diese Aneinanderreihung von Konsonanten hat nichts
Freundliches an sich, irgendwie etwas Hartes, und wenn man es ausspricht, schwingt
schon der Nebel, die Feuchtigkeit und das fallende Laub mit.
Laß' dir doch einmal zum Vergleich
das Wort "Frühling" auf der Zunge zergehen, das zieht automatisch die
Mundwinkel hoch. Doch kurz bevor wir uns endgültig in den Winterschlaf
begeben, der mindestens bis Rötgesbüttel, höchstens jedoch bis
Hatzendorf dauern wird, müssen wir noch ganz schnell Treffenidylle in
uns aufsaugen, um halbwegs über den Winter zu kommen.
Dafür bietet sich alljährlich das Urschweiz-Treffen in Oberrickenbach
(900m über dem Meere) an, das, für uns Ostösterreicher ziemlich
aus der Welt, auch nach einer schönen Anfahrtsroute über tunlichst
viele Paßstraßen verlangt (es reicht ja wohl, daß uns heimische
Zwignetten nicht erspart bleiben, wir müssen ja die ohnehin kleine Windschutzscheibe
nicht zusätzlich mit fremdländischen zupflastern). Außerdem
wäre es viel zu einfach, über schnürlgrade und brettlebene Autobahnen
zu kleschen, man bräuchte wahrscheinlich dafür nichteinmal eine Straßenkarte.
Wir haben die Südroute gewählt, da sich in Lienz der Konvoi, welcher
aus der sagenhaften Menge von exakt zwei Fahrzeugen bestand, erst vervollständigte.
Teile der donnerstäglichen Nacht wurden dazu verwendet, eine Melange aus
sinnvollen, weil schnellen, und schönen, doch sicherlich zeitaufwendigen,
Kilometern zu brauen. Eigentlich mag ich ja die italienische Mentalität
nicht so gern, aber das Land bietet wunderschöne Straßen und Orte,
die sicherlich zum Besuch einladen, außerdem blieben wir ohnehin zum
Großteil in Südtirol, was uns ja wiederum doch nicht so ganz fremd
anmutet.
Die Strecke Sillian-Bozen, bekannt als das Pustertal, war der einzige Bitterstoff
in unserer Brühe, denn die Straße war zwar eine in der Karte rot
gekennzeichnete, sollte daher nach unseren Wertungskriterien eine schnelle
sein, sie war jedoch kurvig, eng und unübersichtlich, an ein Überholen
der die Schlange anführenden LKWs war nicht zu denken. Die später
folgenden gelben und weißen Straßen wiesen ähnliche Eigenschaften
auf, sie waren jedoch nicht dermaßen vielbefahren. Und je heller der
Farbton einer Straße auf der Karte, desto weniger LKWs, sagt schon eine
alte Autofahrerweisheit (oder so ähnlich zumindest). Das soll keinesfalls
heißen, daß es keine Staus mehr gab. Natürlich gab's welche,
nur waren uns diese, als wir Meran rechts liegen ließen, wiederum (fast)
wurscht, weil sie sich eher hinter uns abgespielt haben.
Die Etsch trennt Südtirol vom restlichen Italien und wir uns dort für
lange Zeit von Straßen erster Ordnung, um vorerst auf solche zweiter
Ordnung zu wechseln. Die folgenden, sagen wir, 23 Kilometer kenne ich schon
vom letzten Jahr, ich bin sie sogar zweimal gefahren, nämlich einmal Richtung
Stilfserjoch und anschließend wieder zurück. Nicht weil sie so schön
waren, da hätte ich sie ja dann dreimal fahren müssen, sondern weil
das Unternehmen Stilfserjoch an ständig abgehenden Lawinen gescheitert
ist (dafür haben wir, nennen wir es eine kleine Entschädigung, damals
in Trafoi eine durchaus empfehlenswerte Konditorei gefunden!). Das Stilfserjoch
bietet so ungefähr alles, was man von einer wunderschönen Bergetappe
erwartet: eine Einser-Partie für die Ente und unbeschreibliche Eindrücke
für ihre Mitfahrer, und das alles gebührenfrei. Natürlich versucht
man anfangs an Straßenstücken, die nicht gar so steil aussehen,
mit dem zweiten Gang zu fahren, verwirft diese Idee aber bald darauf wegen
Sinnlosigkeit (...iiiiiiiih - Pause - üüüüüh - Pause
- brummm - iiiiiii...). Mit ziemlich exakt 25km/h schaffte NESSIE Kehre um
Kehre, es sind unglaubliche 44 bis zur Paßhöhe, die ich jedoch nicht
gezählt habe, vielmehr war diese Information freundlicherweise bei jeder
Richtungsänderung angeschrieben, und Höhenmeter um Höhenmeter,
um sich auf 2758 Metern über dem Meer eine Ruhepause zu gönnen. O'Hase
hatte den sensiblen Gasfuß auf mikrometergenaue 18km/h festgeschraubt,
und Egon mit seinen immerhin 16,4PS meisterte diesen, doch bedeutenden, Abschnitt
der Reise ebenfalls mit großer Bravour und unter dem Beifall der oben
umherstehenden Audi-, BMW- und Mercedes-Fahrer. Nie würde mir soetwas
einfallen, zu langweilig wäre mir das Kitzeln der wasweißichwievielen
Pferdestärken. Beim anschließenden Wegfahren übermannte Egon
leichte Atemnot, aber dank Tine, die sich sofort todesmutig gegen den Kö
gestemmt hat, konnte auch das Schild mit der bemerkenswerten Höhenangabe
nicht nur zu Fuß erreicht werden. Auch NESSIE fiel es nicht besonders
leicht, sich wieder wegzubewegen (manche unterstellen ja derartigen Fahrzeugen
eine Seele, und so falsch kann diese Theorie nicht sein, zu wundervoll war's
da oben; jetzt, im angehenden Winter, vielleicht nicht mehr dermaßen),
sie arbeitete sich, zwar schwer, aber doch, ohne fremde Hilfe weiter (allen
Zweiflern zum Trotz: natürlich kühlte der Motor laufend ab, dennoch
ist die Luft da oben dünner als die uns Flachländer umgebende).
Der Umbrailpaß mit 2501m war dann nur mehr ein Klacks (nicht klax., das
ist etwas völlig anderes!), zumal wir zur Paßhöhe und anschließend
den ganzen Berg lediglich runterfuhren. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang
allerdings der Umstand, daß der höchste Punkt des Umbrail die Grenze
zwischen Italien und der Schweiz bildet, und ich nicht einmal aussteigen mußte!
Allerdings bedurfte es Sabine's Einwand, dem Zöllner mein locker von der
Zunge geschnalztes "fünf Packl Tschik" auf die Frage, was wir denn mitführten,
zu erklären.
Der Ofenpaß (Pass dal Fuorn) mit 2149m klingt dabei schon fast lächerlich,
aber er lag eben auf der Strecke. Gefallen hat er mir nicht unbedingt. Im Anschluß
erreichten wir dann fast wieder zivilisierte Gefilde in Form einer auf der
Karte rot markierten Straße, allerdings lediglich für sechs Kilometer,
denn links zweigte der Weg zum Flüelapaß ab, der mit seinen 2383m
zwar nicht zu den größten Erhebungen der Reise zählte, jedoch
wieder wunderschön zu fahren war. Davos erkannten wir als die letzte größere
Stadt vor dem Ziel und dem Zusperren der Geschäfte, und in vorauseilendem
Gehorsam wurden noch die für den am Samstag anstehenden Röstikehr-Wettbewerb
unabdingbaren Rösti-Packerln gekauft. Die Uhr zeigte zwischenzeitlich
sieben. Irgendwann fielen wir der These anheim, den Treffenplatz zur Geisterstunde
zu erreichen, allerdings wären das noch fünf Stunden, das würden
wir doch leicht schaffen (es sollte sich jedoch gar nicht bald herauskristallisieren,
daß wir mit der Vermutung nicht so im Unrecht waren).
Die Nacht legte schön langsam ihren dunklen Mantel über uns, und
den Oberalppaß (2044m) habe ich nur mehr im zarten, gelben Bilux-Schein
in Erinnerung. In Wassen zweigt links die 11er-Bundesstraße ab, die eine
Verbindung nach Innertkirchen in der Nähe von Meiringen bildet, was insofern
hier Niederschlag findet, als dazwischen der Sustenpaß (2224m) liegt,
auf den ich aus folgenden vier Gründen nicht näher eingehen werde:
1. weil er nicht unbedingt am direkten Weg lag, daraus folgt: 2. weil wir ihn
nicht gefahren sind, weil es: 3. bereits massiv finster war und weil: 4. er
ohnehin dem geneigten Leser aus dem Jahre 1991 als Austragungsort des 9ten
internationalen Treffens der Freunde des 2CV bekannt sein dürfte. Von
den nun verbleibenden 69 Kilometern waren 16 so ziemlich in der Grauzone der
Legalität, da es notwendig erschien, den Autobahntunnel zu benützen,
denn es gibt dort keinen alternativen Weg! Mit dem Gongschlag war das Ende
der Sackgasse oberhalb Oberrickenbachs erreicht, dieser verkündete uns
übrigens, daß es gerade 1/2 12 Uhr wurde, was wir bei Bier und Nidwalder
Kaffi dann eine Spur leichter verkrafteten.
Der Treffenplatz liegt sehr im Schatten der ringsherum gepflanzten Bäume
und noch viel mehr in jenem der ihn umgebenden Berge, umso unglaublicher war
die Tatsache, daß während des samstäglichen (ja, der Tag soll
schon ziemlich fortgeschritten gewesen sein) Frühstücks die Sonne
an der Nasenspitze kitzelte. Letztes Jahr um diese Zeit hat es, gemessen am
gesamten Treffenplatz, im großen Festzelt am wenigsten geregnet, und
darin auch nur deshalb, weil die relative Luftfeuchte ungefähre 143% betrug
und das Kondenswasser von der Decke tröpfelte.
Der sicherheitshalber für den Spaziergang angelegte Treffen-Anorak war
doch etwas vermessen, hielt man (und vor allem auch frau!) es durchaus kurzärmelig
aus, bis die Sonne erstmals kurzzeitig hinter einer Bergspitze verschwand
(ausziagn-auziagn-ausziagn-auziagn ...,
es gibt nämlich einige Bergspitzen dort). Hannes' Lehrlingswerk für
den Röstikehr-Wettbewerb verschwand binnen kürzester Zeit in unseren
Mägen, das Meisterstück hatte lediglich einen Verlust von 20 Gramm
zu beklagen. Der Terminus Röstikehren beschreibt das Umkehren während
der Zubereitung und nicht die Tätigkeit des Saubermachens danach, wenn's
doch nicht so ganz gelungen ist. Feiglinge bedienten sich 45cm großer
Pfannen und betteten lediglich 250 Gramm Rösti darin ein (aber es hat
ihnen dennoch oftmals nichts genützt), O'Hase, gleichsam der Held des
Abends, verwendete eine 28cm-Pfanne und gleich ein 500g-Packerl. Schade für
ihn, daß diese Parameter nicht in die Auswertung einflossen, er wurde
glänzender Zweiter, doch der moralische Sieg stand ihm auf alle Fälle
zu!
Der sonntägliche Morgen verlief ein wenig hektischer als der vorangegangene,
mußten wir doch zur nahegelegenen Fähre - und auf diese dann eine
3/4 Stunde warten - um den Vierwaldstättersee übersetzen zu können.
Den nächsten HÖHEpunkt der Reise bildete der Pragelpaß, bei
dem sich auf einmal ein Fahrverbotsschild uns in den Weg stellte, das allerdings
erst 5km nach der Paßhöhe und überhaupt nur samstags und sonntags
bis einschließlich Oktober galt. Einheimische (man ist ja nur Gast dort
und frägt natürlich nach den Gewohnheiten) haben uns ermutigt, dennoch
zu fahren. Was die angetroffenen Spaziergänger jedoch geschimpft haben,
konnten wir nicht ganz verstehen, die Gesten waren aber international. Warum
gerade diese 250 Straßenmeter in den erwähnten Zeiträumen nicht
befahren werden dürfen, können wir heute noch nicht schlüssig
erklären, wir haben nichteinmal Theorien. Dieser lange, einspurige Weg
hinauf, also jene Richtung, die ungehindert benützt werden darf, liegt
wunderschön verträumt mitten im Wald, und nur ganz zart kommen die
Sonnenstrahlen durch die Blätter. Die nächste derartige Halblegalität
haben wir aber ausgelassen, man muß ja nicht unbedingt das Glück
heraufbeschwören.
Gsiberg lockte uns mit der Silvretta-Hochalpenstraße, die jedoch heuer
überraschenderweise unverschämte öS 150.- kostete, abgesehen
davon wurde es beim Stausee schon wieder finster, aber dafür können
wiederum die Betreiber nix (außer uns vielleicht ein wenig nachlassen,
was sie jedoch nicht taten). Die Berge neben der Inntalautobahn wirken auf
mich irgendwie bedrohlich, deshalb war's mir auch nicht gerade unangenehm,
nur wenig davon zu sehen. Autobahnraststätten laden wiederum ein, dort
die Nacht zu verbringen, zumal man sich in Sicherheit wie sonst nirgendwo wiegen
kann. Die Augen von aufgeweckten Rastplatzsheriffs wachen darüber, ob
man "eh kein Zelt aufstellt". Ein gutes, gleichsam beruhigendes Gefühl
machte sich noch in uns breit, bevor wir tief beeindruckt entschlummerten.
Den Montag verbrachten wir noch über die "alte Gerlos-Bundesstraße"
tuckernd, die jedoch von der Salzburger Seite noch schöner ist, den Radstädter
Tauern-Paß bezwingend und das Gaberl bewältigend. Es wurden 2200km
lang wunderschöne Eindrücke gesammelt, die uns keiner mehr wegnehmen
wird. Fotos können vergilben, alt werden, in der Netzhaut Festgebranntes
nicht. Gottseidank!
schwelgt
at gmx.at>
SLOTEN
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